Der wachsende Markt elektrischer und teilelektrischer Fahrzeuge stellt neue Anforderungen an die akustische Qualität der Produkte. Das Schallabstrahlverhalten elektrifizierter Antriebsstränge unterscheidet sich deutlich von dem konventioneller Antriebe. Das IPEK – Institut für Produktentwicklung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) untersuchte diese Phänomene.
Der Fahrkomfort ist ein wichtiges Entscheidungskriterium für den Kauf eines Fahrzeugs. Insbesondere für Fahrzeuge mit elektrischem Antriebsstrang spielt die akustische Qualität aufgrund der fehlenden Maskierung durch die Verbrennungskraftmaschine (VKM) eine elementare Rolle (Bild 1).
Die Herausforderungen in Bezug auf das Fahrzeuginnengeräusch sind zum einen die fehlenden Methoden und die fehlenden Erfahrungen auf die Geräuschanregung und deren Übertragungsmechanismen. Zum anderen rücken in (teil-)elektrischen Antriebssystemen, in Abhängigkeit von der Topologie des Elektromotors (EM) und des Antriebsstrangs, höhere Ordnungen und somit tonale Anteile am Fahrzeuginnengeräusch in den Fokus der Entwicklung.
Ein weiterer Unterschied ist der weit erhöhte Drehzahlbereich des Elektromotors im Vergleich zum Verbrennungsmotor. Weiter sind die Anregungen durch den Elektromotor im Allgemeinen wesentlich höherer Ordnungen und resultieren in höher angeregten Frequenzen (Bild 2).
Diese Konflikte erfordern eine Neubewertung und Untersuchung des elektrischen Antriebs im konkreten Fahrzeug (Bild 3).
Für die Bewertung der akustischen Qualität des Fahrzeuginnengeräuschs von Elektrofahrzeugen ist die Analyse der durch den Antriebsstrang abgestrahlten Schallleistung im Frequenzbereich von 20 Hz bis ca. 16 kHz entscheidend. Hier lässt sich – in Kombination mit dem Körperschalleintrag in die Karosserie – der Geräuschanteil des Antriebsstrangs am Fahrzeuginnengeräusch abschätzen.
Die abgestrahlte Schallleistung steht dabei im Sinne der maschinenakustischen Grundgleichung in direktem Zusammenhang mit dem Quadrat der Oberflächenschnelle in Richtung der Flächennormalen und der abstrahlenden Fläche. Somit kann – unter vereinfachender Annahme eines konstanten Abstrahlgrades – die akustische Abstrahlung eines Antriebsstrangs bzw. der einzelnen Komponenten durch die gemessene Oberflächenschnelle angenähert und validiert werden. Die Definition von Grenzwerten auf Basis der Oberflächenschnellen bietet dabei mehrere Vorteile. Zum einen werden Oberflächenschnellen auch in nicht reflexionsarmen Prüfständen zuverlässig und reproduzierbar gemessen.
Zum anderen ermöglicht dies Rückschlüsse auf die Beiträge der einzelnen Teilflächen zum Gesamtgeräusch. Dies ermöglicht die Analyse hinsichtlich der Anregung und dem Körperschallpfad auf Strukturebene.
Mit Hilfe von 3D-Scanning Vibrometern besteht die Möglichkeit, die Oberflächenschnellen berührungslos nach dem Laser-Doppler-Prinzip mit einer hohen örtlichen Auflösung zu erfassen. Dies ist insbesondere im Falle elektrifizierter Antriebssysteme notwendig, da hier höhere Frequenzen als in konventionellen Antriebssystemen angeregt werden.
Das IPEK – Institut für Produktentwicklung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) führte im Rahmen eines Forschungsprojekts Akustikmessungen auf einem reflexionsarmen Antriebsstrangprüfstand durch. Dabei wurde ein elektrischer Antriebsstrang hinsichtlich der akustischen Eigenschaften untersucht.
Neben der synchronen Erfassung und Analyse von elektrischen, mechanischen und akustischen Größen mit einem Messsystem wurden die Oberflächenschnellen auf dem Antriebsstrang mit einem 3D-Scanning Vibrometer für die kritischen Betriebspunkte untersucht. Der Fokus lag dabei insbesondere auf dem Elektromotor und dem Getriebe.
Die Messungen ergaben Überhöhungen der Oberflächenschnellen analog zu den Überhöhungen des Schalldrucks im Fernfeld. Dabei stellten die Forscher anhand der örtlich hoch aufgelösten Oberflächenschnellen fest, dass die dem Elektromotor zugeordnete Anregung der Struktur hauptsächlich durch das verbundene Getriebe abgestrahlt wird.
Prof. Dr.-Ing. Albert Albers, Leiter des IPEK fasste zusammen:
Die Validierung technischer Systeme zu jeder Phase des Entwicklungsprozesses stellt einen zentralen Bestandteil der Produktentwicklung dar. Am IPEK wird hierfür das X-in-the-LoopFramework (XiL) entwickelt, eine Methode für die durchgängige und prozessbegleitende Validierung technischer Systeme mit Fokus auf der Fahrzeug- beziehungsweise Antriebssystementwicklung.
Im Rahmen einer tiefergehenden Analyse konnte der Anregungs- und Übertragungsmechanismus der Strukturschwingungen weiter eingegrenzt werden und so weitere gezielte Untersuchungen auf Komponentenebene ermöglichen.
Die Forschungen des IPEK liefern den Nachweis einer guten Übereinstimmung von Oberflächenschnelleverteilung zum gemessenen Schalldruck im Fernfeld. Die höheren Anregungsfrequenzen des E-Antriebs mit gekoppeltem Getriebe erfasst die räumlich hochauflösende und gleichzeitig berührungslos messende optische Sensorik problemlos.
Die eingesetzte Schwingungsmesstechnik ermöglicht einen Rückschluss auf die akustischen Eigenschaften eines Produktes ohne die speziellen Anforderungen an die akustischen Eigenschaften des Messraums.
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