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Quantensprung in der Röntgenbildgebung

Einzelphotonen-Röntgendetektor liefert sehr scharfe Bilder und die Materialzusammensetzung des Objekts

Von der CERN-Forschung in die Industrie

Die spektrale Röntgendetektor-Technik, die das Unternehmen Advacam für seine Produkte und Lösungen einsetzt, basiert auf Medipix Hybrid-Pixel-Detektoren. Diese Detektoren wurden in den letzten 20 Jahren im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit von Universitäten und Forschungslabors unter der Leitung des CERN entwickelt. Das Advacam-Team war von Beginn an Teil der Medipix Collaboration. Advacam besteht aus zwei Spin-off-Unternehmen, dem Institut für experimentelle und angewandte Physik der tschechischen technischen Universität Prag und dem VTT Technical Research Center in Finnland.

Die Photonenzähl-Technologie

Advacam-Kameras stellen als direkt konvertierende Einzelphotonen-Zählpixel-Detektoren die Spitze der aktuellen Strahlungsbild-Technologie dar. Einzelphotonenzählung bedeutet, dass jedes einzelne Photon der Röntgenstrahlung, das in einem Pixel detektiert, auch verarbeitet und gezählt wird. Die Technik bringt gegenüber der herkömmlichen Röntgenbildgebung zwei große Vorteile mit sich: hoher Kontrast und damit scharfe Bilder sowie energetische bzw. spektrale Informationen der Röntgenstrahlen. Dadurch lassen sich Materialzusammensetzungen bestimmen und in Falschfarben darstellen.

Direkte und indirekte Konvertierung

 

Dabei werden zwei Methoden der Bildumwandlung unterschieden: Bei der direkten Konvertierung ist jedes Pixel des Halbleiterdetektors direkt über einen Lötkontakt mit einer CMOS-Ausleseschaltung verbunden. Die Röntgenstrahlung wird also innerhalb des Pixels unmittelbar in elektrische Ladung umgewandelt und ausgelesen.

Bei den Kameras mit indirekter Umwandlung liegt eine Szintillationsschicht über einem Photodiodenarray. Die Röntgenstrahlung wird dabei in der Szintillationsschicht zuerst in sichtbares Licht umgewandelt. Dieses wird anschließend in der darunterliegenden Photodiode detektiert und in elektrische Ladung konvertiert.

Geringeres Rauschen – schärfere Bilder

Das Einzelphotonenzählprinzip beseitigt alle anderen Rauschquellen, die in CCD- oder Flat-Panel-basierten Kameras vorhanden sind. Dies führt zu einem wesentlich besseren Signal-Rausch-Verhältnis und damit zur besseren Erkennbarkeit von Bilddetails. Die Bildschärfe oder die tatsächliche räumliche Auflösung des aufgenommenen Bildes wird durch die elektrische Ladung der CMOS-Auslesung definiert. Obwohl die Pixel von Direktumwandlungskameras größer sind als die der herkömmlichen mit indirekter Umwandlung, wird das Signal der detektierten Röntgenstrahlen deutlich besser in die Pixel fokussiert. Die typische Größe eines Direktumwandlungs-Pixels reicht von wenigen Millimetern bis zu einigen zehn Mikrometern, wobei Advacam mit 55 μm Pixelgröße die höchste Pixeldichte aller aktuellen industriellen Röntgenkameras erreicht.

Materialunterscheidung über Strahlungsenergie

Die Energieempfindlichkeit ist eine ebenso wichtige Weiterentwicklung der aktuellen Bildgebungstechnik wie seinerzeit der Übergang von der Schwarz-Weiß- zur Farbfotografie. Im Gegensatz zu herkömmlichen Röntgenbildkameras können die Photonenzählkameras die Energie (die der Wellenlänge entspricht) von einfallenden Photonen unterscheiden oder sogar direkt messen. Da jedes chemische Element charakteristische röntgenabschwächende Eigenschaften aufweist, kann über die Energiemessung der Photonen die Materialzusammensetzung der Probe beurteilt werden. Die spektrale Empfindlichkeit bietet somit eine wesentliche Verbesserung gegenüber herkömmlichen Röntgenbildkameras.

Digitale, zeitverzögerte Integration

Im Gegensatz zum Stitching, dem Zusammenfügen einzelner Teil-Bilder wegen eines zu kleinen Sichtfeldes der Kamera, ermöglicht die Digital Time Delayed Integration (DTDI) das fortlaufende Scannen der aufgenommenen Objekte. Das hochaufgelöste Bild wird in dem Moment erzeugt, wenn sich das Objekt über das Sichtfeld der Kamera bewegt. Die Abtastgeschwindigkeit der Kamera oder die Bewegung des Objekts (z. B. auf einem Förderband) kann bis zu mehreren zehn Metern pro Sekunde betragen.

Anwendungen

Diese besonderen Eigenschaften eröffnen Anwendungsfelder, die mit bisherigen Imaging-Lösungen deutlich schlechter oder gar nicht zu realisieren waren.

Im Bereich der Röntgenmikroskopie werden wesentliche Verbesserungen der Bildqualität und -auflösung erreicht. Röntgenkristallographie wird eingesetzt, um detaillierte, atomare oder molekulare Strukturen in Synchrotronen (Teilchenbeschleunigern) zu untersuchen. Auf der internationalen Raumstation ISS werden Advacam-Detektoren eingesetzt, um die Strahlenbelastung der Astronauten im Weltraum zu untersuchen und zu überwachen.

Bei zerstörungsfreien Materialtests werden auch anspruchsvoll zu detektierende Defekte in Komposit-Materialien wie tiefe Laminatfalten, Kiss-Bonds, Delaminationen, Porosität, Fremdkörper und Mikrorisse mit hoher Auflösung erkannt. Die Bergbau-Industrie setzt Photonenzähl-Detektoren ein, um in Bohrkernen vor Ort unterschiedliche Mineralien zu identifizieren und die Auswertung zu beschleunigen. Für die Kunstbranche liefern Röntgenbildgebungsverfahren detaillierte Daten für Versicherungsunternehmen, um z. B. mit dem Transport verbundene Risiken zu bewerten oder durch die Identifizierung verschiedener Pigmente zur Authentifizierung von Kunstwerken beizutragen.

Bildnachweise: Soweit nachfolgend nicht anders aufgeführt bei ADVACAM s.r.o.