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Neue Vibrometertechnologie im Praxistest

Erfassung von FRF unter Anwendung der QTec® Mehrkanal-Interferometrie

Automotive development

Für unterschiedliche strukturdynamische Aufgabenstellungen spielt die Erfassung von Übertragungsfunktionen (engl. FRF, frequency response functions) eine wichtige Rolle. Das Ziel ist in den meisten Fällen die messdatenbasierte Analyse eines Systems oder die Ermittlung der dynamischen Eigenschaften zur Anpassung und Validierung von Simulationsmodellen.

Eine in der Strukturdynamik weitverbreitete Methode zur Erfassung von FRF ist die Verwendung eines Impulshammers zur Systemanregung sowie Beschleunigungsaufnehmer für die Antworterfassung. Ein Nachteil dieser Methode besteht in der Verstimmung des zu analysierenden Systems aufgrund der Massen und Steifigkeiten (Kabel) der applizierten Sensoren, welche, beispielsweise bei sehr leichten Strukturen, eine deutliche Veränderung des strukturdynamischen Verhaltens verursachen können.

Eine Möglichkeit zur berührungslosen Erfassung der Systemantworten, und der damit verbundenen Eliminierung der Einflüsse der Sensoren, besteht in der Verwendung von Laservibrometern. Bisherige Laservibrometer-Messsysteme besaßen gegenüber Beschleunigungsaufnehmern den Nachteil, dass, beispielsweise im Bereich von Schwingungsknoten oder für Übersprechanteile (Antwortfreiheitsgrad quer zur Anregungsrichtung), kein ausreichender Signal-Rauschabstand zur Erfassung von "sauberen" Frequenzgängen gewährleistet werden konnte und optische Messtechnik in Anwendungsfeldern wie der Frequenzbasierten Substrukturierung (FBS) bislang nicht eingesetzt werden konnte.

Der folgende Beitrag befasst sich mit der Anwendung der QTec Mehrkanal-Interferometrie zur Erfassung von FRF technischer Strukturen, wobei Vergleiche zu Beschleunigungsaufnehmern sowie zum Laservibrometer-System PSV-400 mit Einkanalinterferometer für zwei unterschiedliche Anwendungsfälle dargestellt werden.

Beispiel 1: Eingangsadmittanzmessung an einem Fahrzeug

Eine wichtige Aufgabenstellung zur strukturdynamischen Bewertung eines Systems ist die Erfassung von Admittanzen an Koppelstellen zu anderen Komponenten. Eine Analyse der mechanischen Admittanzverhältnisse an den Schnittstellen ermöglicht beispielsweise die Bewertung und Identifizierung von Frequenzbereichen, in denen Rückwirkungen eines Prüffundaments auf den entsprechenden Prüfling zu erwarten sind, was insbesondere bei der Auslegung und Charakterisierung von "blocked force"-Prüfständen eine wichtige Rolle spielt. Die vollständige Bewertung der Schnittstellen erfordert im allgemeinen Fall die Berücksichtigung aller drei translatorischen und rotatorischen Freiheitsgrade.

Neben den Hauptfreiheitsgraden, bei denen Anregungs- und Antwortfreiheitsgrade übereinstimmen, müssen in den meisten Fällen auch Übersprechanteile (Anregungs- und Antwortfreiheitsgrad verschieden) berücksichtigt und erfasst werden. Die Eingangsadmittanzmessung zur Bewertung der Eignung der QTec Mehrkanal-Interferometrie wurden am Beispiel eines Fahrzeuglängsträgers im Bereich einer potentiellen Anregungsposition durchgeführt. Die Messstelle sowie die Positionierung der Scanköpfe sind in Abbildung 1 dargestellt.

Versuchsaufbau Eingangsadmittanzmessung
Abbildung 1: Versuchsaufbau Eingangsadmittanzmessung. Links: Gesamtansicht mit Messobjekt und Positionierung der Scanköpfe. Rechts: Detailansicht mit aufgeklebten Aluminiumblock und appliziertem Beschleunigungsaufnehmer.

Im rechten Teil von Abbildung 1 ist eine Detailansicht der Messstelle zu erkennen. Um alle drei translatorischen Freiheitsgrade anregen zu können, wurde ein Hilfsblock aus Aluminium an die Stelle geklebt, auf welchem zusätzlich ein Beschleunigungsaufnehmer (Hersteller PCB Piezotronics, Modell 365A45) appliziert wurde, der zum Vergleich mit den erfassten Vibrometer-Daten diente. Der Hilfsblock wurde zusätzlich mit retroreflektierender Folie beklebt, um eine optimale Signalqualität der optischen Messung zu garantieren. In weiteren Versuchen zeigt sich, dass auch ohne Folie sehr gute Ergebnisse erzielt werden konnten. Die Anregung des Systems erfolgte unter Verwendung eines Impulshammers (Hersteller PCB Piezotronics, Modell 086C03) mit unterschiedlichen Hammerspitzen (Kalotten).

Zur Messdatenerfassung wurde neben dem PSV QTec zusätzlich ein "PAK MKII"-System (Müller-BBM VibroAkustik Systeme GmbH) verwendet, um die einzelnen Hammerschläge getrennt voneinander bewerten zu können. Das Kraftsignal des Impulshammers wurde zusätzlich als Referenzsignal für die FRF-Bildung mit dem Vibrometer-Messsystem gekoppelt, um eine optimale Vergleichbarkeit zwischen Beschleunigungsaufnehmer und den Vibrometer-Daten zu gewährleisten. Weiterhin wurden die gleichen Fenstereinstellungen (Rechteckfenster Kraftsignal, Exponentialfenster Antwortsignale) bei beiden Systemen verwendet. Abbildung 2 zeigt den Vergleich zweier ausgewählter Elemente der Admittanzmatrix.

Vergleich von ausgewählten Elementen der erfassten Admittanzmatrix
Abbildung 2: Vergleich von ausgewählten Elementen der erfassten Admittanzmatrix. Links: Hauptdiagonalelement (Anregungs- und Antwortfreiheitsgrad identisch). Rechts: Nebendiagonalelement (Anregungs- und Antwortfreiheitsgrad verschieden).

Der linke Teil von Abbildung 2 zeigt das Element der Hauptdiagonale, bei dem sowohl Anregung als auch Antworterfassung in y-Richtung erfolgten (quer zur Fahrzeuglängsachse). Dahingegen beinhalten die drei rechten Diagramme die Admittanz bei Anregung in z-Richtung (vertikale Achse des Fahrzeugs) und Antworterfassung in y-Richtung. Die dargestellten FRF wurden aus zwei Messungen zusammengefügt, welche unter Verwendung zweier Hammerspitzen unterschiedlicher Härte durchgeführt wurden, um einen möglichst breiten Frequenzbereich abdecken zu können (weiche Spitze bis ca. 200 Hz, harte Spitze von 200 bis 3000 Hz).

Es ist ersichtlich, dass die ausgewählten Admittanzen sowohl im Amplituden- als auch im Phasenfrequenzgang sehr gut übereinstimmen. Der dargestellte Vergleich verdeutlicht, dass beide Methoden der Antworterfassung sowohl für Haupt- als auch für Übersprechanteile zu vergleichbaren Ergebnissen führen, was bedeutet, dass die Mehrkanal-Interferometrie zur Erfassung von Eingangsadmittanzen realer technischer Strukturen sowohl für "in plane"- als auch für "out of plane"-Komponenten möglich ist.

Beispiel 2: Experimentelle Modalanalyse an einem Kunststoffbauteil

Das zweite hier vorgestellte Beispiel soll zum Vergleich der beiden Vibrometer-Messsystem PSV QTec und PSV-400 dienen. Dazu wurde für beide Systeme eine experimentelle Modalanalyse (EMA) an einem Kunststoffbauteil durchgeführt. Der Versuchsaufbau ist in Abbildung 3 dargestellt. Die Abbildung zeigt neben dem Koordinatensystem die freie Aufhängung des Systems, die Positionierung des automatischen Modalhammers (Hersteller Maul-Theet GmbH, Modell vImpact-60) und die Vorbereitung des Messobjektes mit retroreflektierender Folie.

Versuchsaufbau der experimentellen Modalanalyse
Abbildung 3: Versuchsaufbau der experimentellen Modalanalyse

Beide EMA wurden sowohl mit dem gleichen Scanpunkt-Netz (ca. 120 Messpunkte) als auch den gleichen Messeinstellungen und vergleichbaren Anregungen durchgeführt. Zunächst erfolgt der Vergleich der erfassten FRF am Beispiel der Realteile der ermittelten Admittanzen, was in Abbildung 4 dargestellt ist. Im linken Teil der Abbildung sind die mit dem PSV QTec erfassten FRF dargestellt und die beiden rechten Diagramme zeigen die Realteile der Antworterfassung mit dem Vibrometer-Messsystem PSV-400.

Die beiden oberen Diagramme beinhalten die Antworten in y-Richtung (quer zur Anregungsrichtung). In den unteren Darstellungen sind die Systemantworten in Anregungsrichtung z abgebildet. Die Diagramme dienen zum qualitativen Vergleich der Realteile, weshalb die einzelnen Verläufe leicht transparent dargestellt sind. Dunklere Bereiche kennzeichnen daher Frequenzen, bei denen mehrere FRF übereinanderliegen.

Realteile aller erfassten Admittanzen
Abbildung 4: Realteile aller erfassten Admittanzen. In den oberen beiden Diagrammen sind die Antworten in y-Richtung (quer zur Anregung, "in plane"-Komponenten) dargestellt. Die unteren Diagramme beinhalten die Antworten in z-Richtung (in Anregungsrichtung, "out of plane"-Komponenten).

Zunächst zeigt der Vergleich bei der Betrachtung der unteren beiden Diagramme (Antworten in Anregungsrichtung) eine gute qualitative Übereinstimmung der beiden Messsysteme. Die zu erkennenden Verschiebungen der Resonanzen, beispielsweise bei ca. 2 kHz, können mit der Vorkonditionierung des Kunststoffbauteils begründet werden. Die Messung mit dem PSV-400 wurde nach einer Konditionierung der Probe in einer Klimakammer durchgeführt. Die Messung unter Verwendung des PSV QTec erfolgte hingegen ohne eine Vorkonditionierung, was aufgrund der Änderung des Feuchtigkeitsgehalts im Material zur Verschiebung von Eigenfrequenzen führen kann.

Im Vergleich zu den unteren Realteilen lassen sich für die oberen FRF (Antworten quer zur Anregung) deutliche Unterschiede feststellen. Dies gilt insbesondere für das Grundrauschen, welches beim PSV-400 im Vergleich zum QTec-System deutlich ausgeprägter und um ein Vielfaches höher ist. Der stark ausgeprägte Rauschanteil kann beispielsweise in Frequenzbereichen mit hoher Modendichte (hier im Bereich von 750 bis 1500 Hz) dazu führen, dass die Modalparameter einzelner Moden mit dominanten Verschiebungen quer zur Anregungsrichtung nicht bestimmt werden können. Abschließend erfolgt die Gegenüberstellung der modalen Dämpfungen in Abbildung 5.

Vergleich erfasster modaler Dämpfungen im Frequenzbereich bis ca. 1600 Hz
Abbildung 5: Vergleich erfasster modaler Dämpfungen im Frequenzbereich bis ca. 1600 Hz.

Anhand der in der Abbildung dargestellten Stützstellen lässt sich zunächst feststellen, dass sich unter Verwendung des PSV QTec deutlich mehr Moden bestimmen lassen, was insbesondere im oben genannten Frequenzbereich von 750 bis 1500 Hz zu erkennen ist. Die Abbildung beinhaltet zusätzlich eine Darstellung der vierten Mode, welche eine dominante Verschiebung quer zur Anregungsrichtung aufweist und für die deutlich unterschiedliche Dämpfungen ermittelt wurden, was am geringen Signal-Rauschabstand der Antworten quer zur Anregungsrichtung bei der Messung mit dem PSV-400 begründet liegt. Der Vergleich zeigt, dass auch bei der Durchführung einer EMA deutliche Vorteile mit der Mehrkanal-Interferometrie erzielt werden können.

Ausblick

Die dargestellten Vergleiche zeigen, dass die QTec Mehrkanal-Interferometrie den Einsatz optischer Laservibrometer-Messsysteme zur Erfassung von FRF sowohl im Bereich hoher Verschiebungen (zum Beispiel Resonanzbereiche) als auch im Bereich geringer Auslenkungen ermöglicht. Insbesondere die im Vergleich zum PSV-400 deutlich verbesserte Signalqualität von "in plane"-Komponenten eröffnet neue Möglichkeiten zur Anwendung dieser optischen Messverfahren.

Als Beispiel kann die eingangs beschriebene frequenzbasierte Substrukturierung (FBS) genannt werden. Ein wichtiger Bestandteil der FBS ist die Erfassung von Koppelstellen, welche mit optischen Verfahren im Vergleich zu Beschleunigungsaufnehmern räumlich detaillierter erfasst und in den entsprechenden Berechnungsmethoden berücksichtigt werden können. Dies ermöglicht vor allem in Frequenzbereichen, in denen Koppelstellen elastische Verformungen aufweisen, eine Erweiterung der bestehenden experimentellen Analysemethoden.

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