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Haptische Displays für die anspruchsvollen Umgebungsbedingungen im Automobileinsatz

Performanzbewertung von -40° bis 85°C mit Laservibrometern

Hand touches futuristic display in a car

Der zunehmende Einsatz von Touchscreens in Kraftfahrzeugen führt zu einer visuellen Informationsüberflutung mit kritischem Einfluss auf die Sicherheit. Rückmeldungen an den Fahrer mittels haptischer Feedback-Technologien werden als eine Möglichkeit gesehen, das Benutzererlebnis zu verbessern und die kognitive Beanspruchung bei der Interaktion mit Touchscreens zu verringern.

Die haptische Technologie von hap2U, die kürzlich von Vibra Nova übernommen wurde, basiert auf der Ausbreitung von Ultraschallwellen, die von piezoelektrischen Aktoren erzeugt werden. Diese Ultraschallwellen verringern den Reibungskoeffizienten zwischen dem Finger des Bedieners und der Glasoberfläche des haptischen Displays. Dieses Phänomen wird als aktive Schmierung (active lubrication) bezeichnet: Der Finger erfährt unter dem Einfluss der Ultraschallschwingungen eine Verringerung seiner Kontaktfläche1,2, was den Reibungskoeffizienten reduziert. Eine Modulation des Ultraschallfeldes führt damit zu einer Modulation der Reibung. Da die menschliche Wahrnehmung sehr empfindlich für Änderungen der Reibung ist, können über diesen Mechanismus sehr überzeugende taktile Empfindungen synthetisiert werden.

Um die Piezo-Anregung des haptischen Displays zu optimieren und dessen Steuerung zu vereinfachen, wird eine globale Resonanz des Displays genutzt, wie sie in Abbildung 1 dargestellt ist.

Schematic Principle of Ultrasonic Haptics from hap2U/Vibra Nova
Abbildung 1: Funktionsprinzip der ultraschallbasierten haptischen Technologie von hap2U/Vibra Nova

Materialcharakterisierung

Die akustischen Eigenschaften eines haptischen Displays für die Ausbreitung von Ultraschallwellen sind sehr wichtig für ein gleichmäßiges und konstantes haptisches Gefühl unabhängig von der Temperatur. Die heutigen Displays sind mehrschichtige mechanische Systeme. In diesen Schichten befinden sich viele Kunststoff- und Klebematerialien, deren mechanisches Verhalten sich mit der Temperatur ändert. Für Ultraschall-Frequenzen sind die relevanten mechanischen Eigenschaften solcher Materialien in der Literatur kaum zu finden.

hap2U/Vibra Nova hat sich deshalb das Know-how für die Charakterisierung von Materialeigenschaften bei Ultraschallfrequenzen und bei verschiedenen Temperaturen selbst aufgebaut. Dazu wird das haptische Display in einer Klimakammer verschiedenen Temperaturen ausgesetzt. Abbildung 2 zeigt ein Beispiel, das für Messungen bei hohen Temperaturen verwendet wird.

 Laser vibrometry measurement performed through the plexiglass wall
Abbildung 2: Messaufbau für die thermische Charakterisierung: Das Display ist in der Klimakammer hohen Temperaturen ausgesetzt. Die Laser-Schwingungsmessung erfolgt durch die Plexiglasscheibe.

Außerdem wurden Tests in handelsüblichen Klimakammern sowohl bei hohen als auch bei niedrigen Temperaturen durchgeführt. Ein Polytec 3D-Scanning Vibrometer wird verwendet, um das Schwingungsbild der gesamten Display-Oberfläche zu erfassen. Der Polytec Laser ermöglicht die Messung sehr kleiner Schwingungen im Subnanometerbereich, solche Messungen sind auch problemlos durch eine Glas- oder Plexiglasscheibe hindurch möglich (Abbildung 2).

Die Ultraschallschwingungen werden durch piezoelektrische Elemente erzeugt, die eine Biegewelle auf dem Display hervorrufen. Die Antwort des Displays auf die Anregung wird mit dem Polytec 3D-Scanning Vibrometer vollflächig gemessen, um eine räumliche Schwingungsverteilung zu erhalten, wie in Abbildung 3 beispielhaft dargestellt.

Die Schwingungskarte in Abbildung 3 entspricht einem Display mit guten akustischen Eigenschaften, bei dem die haptische Technologie optimal eingesetzt werden kann. Um festzustellen, ob das Systemverhalten auch in anspruchsvollen Automobilanwendungen für die Wellenausbreitung geeignet ist, werden die akustischen Eigenschaften des Displays bei verschiedenen Temperaturen untersucht.

Einer der wichtigsten Parameter ist dabei die Dämpfung des Displays, die durch den Dämpfungskoeffizienten beschrieben wird. Zur Abschätzung dieses Dämpfungskoeffizienten wird ein Anregungsimpuls in einem Piezoelement erzeugt und die Amplitude des sich ausbreitenden Impulses über die gesamte Display-Oberfläche gemessen.

Der Dämpfungskoeffizient beschreibt die Verringerung der Schwingungsamplitude in Abhängigkeit von der Entfernung. Je höher sein Wert ist, desto schneller reduziert sich die Schwingungsamplitude mit dem Abstand zur Quelle.

Abbildung 4 zeigt beispielhaft zwei Displaytypen, die bei Raumtemperatur und bei 85°C charakterisiert wurden. Display Nr. 1 (blaue Kurven) zeigt bereits bei Raumtemperatur eine höhere Dämpfung als Display Nr. 2 (rote Kurven) und einen Anstieg auf noch höhere Werte bei höheren Temperaturen (gestrichelte blaue Kurve).

Außerdem hängt die Dämpfung deutlich von der Anregungsfrequenz ab. Die maximale Dämpfung wurde zwischen 50 - 60 kHz bei 85°C gemessen. Das Display Nr. 2 zeigt dagegen eine geringere Dämpfung bei Raumtemperatur, und ihr Wert ist nahezu unabhängig von Temperatur und Anregungsfrequenz.

Display Nr. 2 bietet damit optimale Eigenschaften für haptische Anwendungen im Automobilbereich.

Die Scanning-Laservibrometrie stellt eine effiziente Methode zur Charakterisierung der akustischen Eigenschaften und insbesondere der Dämpfungsparameter haptischer Displays über Temperatur und Frequenz dar. Dies ist entscheidend für die Entwicklung von Displays, die über den gesamten weiten Temperaturbereich, wie in den Automobilspezifikationen gefordert, hervorragende Nutzereigenschaften aufweisen.

Referenzen

1. Wiertlewski, M., Fenton Friesen, R. & Colgate, J. E. Partial squeeze film levitation modulates fingertip friction. Proc. Natl. Acad. Sci. U. S. A. 113, 9210–9215 (2016).
2. Vezzoli, E. et al. Friction Reduction Through Ultrasonic Vibration : Part 1 : Modelling Intermittent Contact. 1412, 1–13 (2017).

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