Die haptische Holografie oder Mid-Air-Haptik verspricht die gegenwärtigen Grenzen der virtuellen Realität deutlich zu verschieben, aber eine neue Studie zeigt ein überraschendes physikalisches Hindernis auf, das es zu überwinden gilt. Ein Forscherteam an der University of California, Santa Barbara (UCSB) hat ein neues Phänomen bei holografischen Haptik-Displays entdeckt, dessen technische Beherrschung zur Schaffung überzeugenderer Virtual-Reality-Erlebnisse führen könnte. Die Ergebnisse des Teams wurden auch in einer Veröffentlichung der Zeitschrift "Science Advances" gewürdigt.
Holografische Haptik-Displays nutzen die phasenkontrollierte Ansteuerung von Ultraschallwandler-Arrays, um ein fokussiertes Schallfeld im Raum zu erzeugen, das über die Sinneszellen der Haut haptisch wahrnehmbar ist. Nutzer können so virtuelle Objekte im Raum mit bloßen Händen berühren, fühlen und manipulieren. Während diese Displays für verschiedene Anwendungsbereiche wie Augmented Reality, Virtual Reality und Telepräsenz vielversprechend sind, sind die taktilen Empfindungen, die sie derzeit vermitteln, noch recht diffus und schwach und fühlen sich an wie eine "Brise" oder ein "Lufthauch".
"Unsere neue Forschung erklärt, warum sich solche Hologramme viel diffuser und undeutlicher anfühlen, als man erwarten würde", sagt Yon Visell, ein außerordentlicher Professor am College of Engineering der UCSB, dessen Forschungsschwerpunkt auf interaktiven Technologien mit Schwerpunkt Haptik, Robotik und Elektronik liegt.
In der von Yon Visell und Gregory Reardon, einem Doktoranden, geleiteten Studie wurden Schwingungsmessungen mit einem Laservibrometer, Simulationen und Wahrnehmungsexperimente eingesetzt, um die durch Ultraschall angeregten Wellen, die bei haptischer Holografie in der Haut entstehen, umfassend zu untersuchen. Sie entdeckten, dass holografische Displays großflächige Schwingungsmuster – sogenannte Scherschockwellen – in der Haut anregen.
Bei der haptischen Holografie, so Visell, können unter bestimmten Bedingungen Schockwellen entstehen, wenn fokussierter Ultraschall über Hautbereiche scannt. Die dabei an verschiedenen Stellen der Haut angeregten Schwingungen können sich gegenseitig so beeinflussen, dass sie sich an einigen Stellen verstärken, ein Phänomen, das als konstruktive Interferenz bezeichnet wird. Bei der Bildung von Schockwellen entsteht ein Nachlaufmuster, das über den beabsichtigten Fokuspunkt hinausgeht und die räumliche Präzision und Klarheit der haptischen Empfindungen verringert.
Eine Analogie zu diesem Phänomen: Wenn man den scannenden Ultraschall-Fokuspunkt mit einem sich schnell bewegenden Boot auf dem Wasser vergleicht, entspricht das Schockwellenmuster dem Kielwasser, das dem Boot folgt. Derzeitige holografische Haptik-Displays erregen Schockwellenmuster in so großen Hautbereichen, dass die Empfindungen sehr diffus sind.
Die Forscher verwendeten ein PSV Polytec Scanning Vibrometer, um Schwingungsbilder von menschlichen Handflächen zu erstellen, während die Benutzer holografisches haptisches Feedback spürten. Die Messungen zeigen die durch den Ultraschall hervorgerufenen Scherschockwellenmuster in der Haut deutlich auf.
"Unsere Studie zeigt, wie holografische Haptik-Displays – eine vielversprechende neue Technologie für virtuelle Realität und Telepräsenz – neue Kenntnisse in der Akustik und Innovationen im Design erfordern", sagt Visell. "Indem wir die zugrunde liegende Physik der durch Ultraschall erzeugten Scherschockwellen in der Haut verstehen, hoffen wir, das Design holografischer Haptik-Displays zu verbessern und sie für die Nutzer realistischer und immersiver zu machen.
Solche Haptik-Displays könnten unsere reale physische Welt mit einer grenzenlosen Vielfalt an virtuellen oder gar interaktiven animierten Objekten und greifbaren Werkzeugen erweitern, die man nicht nur sehen, sondern auch mit den Händen berühren und fühlen kann."
Nach der Vorhersage der Scherschockwellen durch numerische Simulationen überprüften Visell und sein Team die Ergebnisse, indem sie die realen Wellenmuster, die durch bewegten fokussierten Ultraschall auf der Haut ausgelöst werden, mit einem Scanning Laservibrometer visualisierten. In anschließenden Wahrnehmungsexperimenten wurden die Wellenmuster mit dem Empfinden der Versuchsteilnehmer korreliert, um den Einfluss auf die Benutzererfahrung zu bewerten.
Abbildung 1 zeigt den Versuchsaufbau. Das Scanning Vibrometer erfasste die Oberflächenschwingungen auf einem Gewebephantom mit der menschlichen Haut ähnlichen mechanischen Eigenschaften, die durch fokussierten Ultraschall stimuliert wurden. Das erzeugende Ultraschallwandler-Array ist grün dargestellt (Abb. 1A). Schließlich wurden in vivo vibrometrische Messungen an menschlichen Händen mit mehr als 300 Messpunkten vorgenommen (Abb. 1B).
In Übereinstimmung mit der Wellenmechanik und den Ergebnissen der numerischen Simulationen wurden Scherschockwellenmuster mit großen Amplituden und geschwindigkeitsabhängigen Nachlaufwinkeln erzeugt, wenn die Ultraschallfokus mit schallnaher oder überschallschneller Geschwindigkeit über die Oberfläche scannte (Abb. 2 rechts). Diese Scherschockwellenmuster bildeten sich sehr schnell, innerhalb von Millisekunden, hinter dem fokussierten Ultraschall.
Die Fläche der Nachlaufregion war um Größenordnungen größer als der effektive akustische Fokusbereich. Die effektive Fokussierung wurde also eher durch die Bildung von Schockwellen als durch die eigentliche Ultraschallfokussierung bestimmt. Die Wellenenergie folgte dem Fokus innerhalb eines Nachlaufs von 10 cm oder mehr und erstreckte sich auch mehrere Zentimeter senkrecht zum Scanpfad.
Im Vergleich dazu ergaben niedrigere Scangeschwindigkeiten (v = 2 m/s, Abb. 2 links) Wellenmuster, die auf die unmittelbare Umgebung des Fokuspunkts beschränkt blieben, was zum Teil auf die viskose Dämpfung zurückzuführen ist. Diese Wellen hatten jedoch eine geringere Amplitude und eine niedrigere Frequenz und waren daher auf der Haut nur schwach wahrnehmbar.
Die Einschübe in Abb. 2 zeigen den Frequenzgehalt der angeregten Wellenmuster. Mit zunehmender Machzahl wurde ein breiterer Bereich höherer Frequenzen angeregt.
Die Messergebnisse stimmen sehr gut mit der numerischen Simulation überein, wie die folgenden Filmsequenzen für Scangeschwindigkeiten von v = 4 m/s und 7 m/s zeigen:
Als nächstes wandten sich Visell und sein Team In-vivo-Messungen an menschlichen Händen zu (Abb. 3). Für diese Experimente wurden Ultraschall-Scanpfade entlang einer Achse auf der Innenhand, vom Handgelenk bis zur Spitze des Zeigefingers, gewählt. Die linearen Pfade wurden quer zur Bewegungsrichtung moduliert (was zu Zickzack-Pfaden führte), da sich gezeigt hat, dass eine solche Modulation stärkere Empfindungen hervorruft. Die niedrigsten und höchsten Scangeschwindigkeiten (vl = 1 und 11 m/s) lagen im Unterschall- bzw. Überschallbereich.
In Übereinstimmung mit der Theorie und den Ergebnissen aus den numerischen Simulationen und Phantomgewebeexperimenten erregten niedrige Scangeschwindigkeiten (vl = 1 m/s) Scherwellenmuster, die sich vom momentanen Fokusort nach außen ausdehnten. Bei höheren Scangeschwindigkeiten (vl > 4 m/s) bildeten sich Wellenmuster, die dem momentanen Fokusort um 10 cm oder mehr nachliefen. Die Länge dieser Wellenmuster überstieg die geschätzte Fokusregion von ca. 0,6 cm um mehr als eine Größenordnung.
Diese Phänomene spiegelten sich in der haptischen Wahrnehmung der Nutzer wider, wie der Vergleich der Ergebnisse der In-vivo-Schwingungsmessung (Abb. 4A, blau) mit Verhaltensdaten zeigt, die in einem weiteren Experiment zur taktilen Wahrnehmung der Probanden gewonnen wurden (Abb. 4A, rot). Bei jedem Versuchsdurchlauf erfuhren die Teilnehmer eine Ultraschallstimulation, die vom Handgelenk zur Spitze des Zeigefingers oder umgekehrt wanderte, und sie mussten die Richtung der Stimulation rückmelden.
Die Wahrnehmungsgenauigkeit war bei niedrigeren Scangeschwindigkeiten größer (P < 0,0001) und sank bei den drei höchsten Scangeschwindigkeiten (vl = 4, 7 und 11 m/s), die die längsten Nachlauf-Wellenmuster erzeugten, auf ein Zufallsniveau ab. Eine integrative Analyse, bei der die Daten aus den Wahrnehmungs- und Schwingungsexperimenten verglichen wurden, ergab, dass die Wahrnehmungsgenauigkeit mit zunehmender Länge der Nachlauf-Wellenmuster monoton abnahm (Abb. 4B).
Die Entdeckung der bisher unbekannten Schockwellenphänomene in der haptischen Holografie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung einer neuen Generation hochauflösender holografischer Haptik-Displays, die den Nutzern eine realistischere und immersivere Interaktion in einem zukünftigen Metaverse ermöglichen.
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