Spinnennetze sind komplexe, natürliche Strukturen mit ganz erstaunlichen mechanischen und dynamischen Eigenschaften. Ein typisches Netz besteht aus zwei Hauptarten von Seidenfäden mit einer radialen und spiralförmigen Struktur, kombiniert mit sich kreuzenden Verbindungen. Das funktionelle Merkmal des Spinnennetzes ist die Widerstandsfähigkeit gegenüber windbedingten Schwingungen und der hohen Aufprallenergie fliegender Beute. Um das Schwingungsdämpfungsverhalten eines kompletten Spinnennetzes vorherzusagen, wurden die Dämpfungseigenschaften der Seidenfäden durch In-situ-Experimente im Dschungel gemessen.
Zur Erforschung von Spinnennetzen setzten die Wissenschaftler des Indian Institute of Technology das ein portables Polytec Laservibrometer ein, um die Dämpfungseigenschaften von sehr leichten Spinnenseidenfäden zu messen. Bei diesen Strukturen sind berührungslose Schwingungssensoren wie z.B. das aktuelle VibroGo zwingend erforderlich, da die Fadenstruktur die Last herkömmlicher Sensoren wie Beschleunigungsaufnehmer und Dehnmessstreifen nicht tragen kann.
Der Versuch
Das Forscherteam begab sich mit dem tragbaren Laservibrometer und Zubehör im Dschungel auf die Suche nach Spinnennetzen. Der Versuchsaufbau ist in Abbildung 1 dargestellt. Das Laservibrometer analysiert das Zeitverhalten der Seidenfäden nach sanfter Anregung durch Einwirkung einer manuell erzeugten Luftbrise, die den natürlichen Wind nachahmt. Die Schwingungsdämpfung wurde mittels logarithmischer Dekrementmethode aus diesem Zeitverhalten gemessen.
Ergebnisse
Der Vorteil der In-situ-Versuche besteht darin, dass die Spinnenseidenfäden eine Spannung aufweisen, wie sie nur in natürlichem Zustand vorkommt. Außerdem wird das Netz von der ebenfalls in der Natur auftretenden Verankerung gestützt, die für die strukturelle Integrität und das Beutefangvermögen des Netzes eine wichtige Rolle spielt. Die Komponenten, die das Spinnennetz bilden, sowie die entsprechenden Aufnahmen des Rasterelektronenmikroskops sind in Abbildung 2 dargestellt.
Der Laserstrahl wurde auf verschiedene Positionen des Netzes fokussiert, um sowohl Spiral- als auch Radialseidenfäden zu untersuchen (siehe Abbildung 1). Nach der Anregung erfasst das Vibrometer das Zeitverhalten beider Fäden (Abbildung 3). Wie die Analyse zeigt, weist das zeitliche Antwortverhalten des Spiralfadens einen deutlich schnelleren Abfall (kürzere Abklingzeit) auf als der Radialfaden.
Die aus dem gemessenen Antwortverhalten an verschiedenen Stellen des Netzes berechnete mittlere Eigenfrequenz und Dämpfungsrate ζ beider Seidenfäden ist in Tabelle 1 aufgeführt. Der Spiralfaden hat eine höhere Dämpfungsrate und Eigenfrequenz. In diesem Versuch wirkte eine niederfrequente Anregung durch eine manuell erzeugte, leichte Luftbrise sowohl auf Radial- als auch auf Spiralfäden. Bei niederfrequenter Anregung wird nur die Strukturdämpfung berücksichtigt, ohne Einwirkung externer Dämpfung (aerodynamische Dämpfung) und ohne Einwirkung einspannungsbedingter Energieverluste.
Die Radialfäden sind die entscheidenden Strukturkomponenten des Netzes, die dafür sorgen, dass das Netz bei Wind, Sturm und beim Aufprall der Beute intakt bleibt. Die Radialfäden spielen zudem die Hauptrolle bei der Ableitung der zugeführten kinetischen Energie in das Netz.
Die Spiralfäden mit der hohen Dämpfungsrate und Flexibilität reagieren sofort auf die zugeführte Energie, indem sie sie in den Radialfäden verteilen. Auf diese Weise sind Spinnennetze in der Natur unter wechselnden Bedingungen widerstandsfähig und effektiv.
Schlussfolgerungen und Ausblick
In dieser Untersuchung wurde die Schwingungsdämpfung eines Spinnennetzes mit einem Laservibrometer erforscht, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie das Netz im Urwald bestehen kann.
Die In-situ-Schwingungsdämpfungsmessung zeigt, dass die Spiralseidenfäden hohe schwingungsdämpfende Eigenschaften aufweisen, die die induzierte Anregung sofort in die radialen Seidenfäden verteilen.
Die Radialseidenfäden sind die wichtigsten Bausteine des Spinnennetzes. Sie bewahren seine strukturelle Integrität und verhindern durch die Ableitung der zugeführten Energie dessen Zerstörung.
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