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Fokus auf Präzisionsoberflächen

Komplementäre Verfahren der optischen Oberflächenmesstechnik

precision surfaces

Viele Aufgaben der Oberflächenmesstechnik, bei denen taktile Messverfahren in den letzten Jahren an ihre Grenzen kommen, werden bereits heute durch berührungslos arbeitende optische Messtechnik gelöst. Insbesondere die Verbesserung der Computer-Rechenleistung ermöglicht die Verarbeitung der hierbei flächenhaft anfallenden Oberflächenmessdaten mit hoher Auflösung und in hoher Geschwindigkeit.

Vertreter optischer Oberflächenmessverfahren sind die chromatisch-konfokale Methode, die Weißlichtinterferometrie, die Fokus-Variation oder konfokale Verfahren. Trotz einschlägiger Vorteile hat jede Technik ihre Vorzüge und Schwachstellen.

 

Chromatisch-konfokale Verfahren

In der optischen Oberflächenmesstechnik ist die chromatisch-konfokale Methode am meisten mit dem Tastschnittverfahren vergleichbar. Ein tastender Punktsensor, der mit einem horizontal verschiebbaren Positioniersystem verbunden ist, erfasst die Oberflächendaten. Wie bei taktilen Verfahren ist die Länge des abzutastenden Profils nur durch die Achse des Positioniersystems begrenzt. Mit solch einer Konfiguration lassen sich komplexe Formen abfahren und selbst runde oder kreisförmige Profile sind somit messbar. Wenn bei Messungen die Zeit eine entscheidende Rolle spielt, stößt das aufwendige Verfahren allerdings an seine Grenzen. Da keine vertikale Abtasteinheit erforderlich ist, ist das chromtischkonfokale Verfahren ein statisches Verfahren und kommt ohne bewegliche Teile im Messkopf des Geräts aus.

Konfokale Mikroskopie

Die von der konfokalen Mikroskopie gelieferten Oberflächeninformationen werden aus einer Folge konfokaler Bilder über die Tiefenschärfe der Objektive generiert. Auch die numerische Apertur der Objektive liefert Vorteile in bestimmten Fällen. Die vertikale Auflösung hängt von den ausgewählten Objektiven ab. Mit anderen Worten: Die messtechnische Leistung verändert sich mit dem Verhältnis Vergrößerung / Sichtfeld des Objektivs. Objektive mit höherer numerischer Apertur können das Rauschen reduzieren; wegen der kleinen Messfelder kann es aber nötig sein, mehrere Felder durch “Stitching“ miteinander zu verbinden und dies kostet zusätzliche Zeit. Andererseits haben Objektive mit geringerer Vergrößerung ein verhältnismäßig großes Messfeld. Die vertikale Auflösung wird schwächer und steile Flanken werden mitunter nicht komplett erfasst. Deshalb erweist es sich als schwierig, Oberflächen mit steilen Flanken zu messen.

Fokus-Variation

Bei der Fokus-Variation wird die geringe Schärfentiefe der Optik genutzt, um Oberflächendaten zu erfassen. Dazu wird die Oberfläche mit moduliertem Weißlicht beleuchtet und das Licht von der Probe reflektiert. Während sich die Distanz zwischen Probe und Objektiv ändert, werden kontinuierlich Daten erhoben. Je nach Oberflächentopografie werden unterschiedliche Bereiche der Probe scharf oder unscharf auf einem digitalen Sensor abgebildet. Für jede Position am Objekt wird anschließend die abgebildete Schärfe berechnet.

Die Fokus-Variation liefert Bilder in Farbe, aber die vertikale Auflösung ist eingeschränkter als bei konfokalen Verfahren und der Weißlichtinterferometrie. Ähnlich der konfokalen Verfahren hängt die vertikale messtechnische Leistung hier vom verwendeten Objektiv ab. Für verlässliche Messungen muss das Werkstück unter Umständen auch texturbehaftet sein.

 

Weißlichtinterferometrie

Obwohl die numerische Apertur der Objektive eingeschränkt ist, hat die Weißlichtinterferometrie ein hohes vertikales Auflösungsvermögen. Die vertikale Auflösung ist außerdem unabhängig vom Sichtfeld. Deshalb können sogar größere Oberflächen mit einer vertikalen Auflösung im Nanometer-Bereich gemessen werden. Wie bei den anderen optischen Oberflächenmessverfahren ist die laterale Auflösung durch die Objektiv-Vergrößerung bestimmt.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass jedes Verfahren seine Grenzen und seine Stärken hat. Manche Anwendungsfälle bedürfen aber einer speziellen Lösung und erlauben keine Kompromisse. Polytecs modulares Multisensorkonzept für die Oberflächenmesstechnik spielt hier seine Vorteile aus.

 

Multisensor-Anwendungen

Üblicherweise werden Oberflächen anhand von Messgrößen wie Abstand, Breite, Höhe, Form, Oberflächentextur, Rauheit, Volumen oder Filmdicke charakterisiert. Zur Beschreibung der Beschaffenheit großer Oberflächen (im Sinne von Mikro- und Nano-Messtechnik) sind große Messbereiche (mm² bis cm²) in Kombination mit Messungen im Nano- und Mikrometer-Bereich nötig.

Für solche Anwendungsfälle bieten Messgeräte mit Multisensor-Fähigkeit mehr Flexibilität. Speziell um Dichtflächen zu charakterisieren, werden Konzepte mit verschiedenen Messmöglichkeiten benötigt. Typisch für diese Anwendung ist, dass die Messung der Formabweichung auf größeren Oberflächen im mm-Bereich liegt, während gleichzeitig die Rauheit mit einer Auflösung im Nanometer-Bereich bewertet wird. Liegt die Formabweichung außerhalb des Toleranzbereiches, lässt sich das verlangte Dichtverhalten zwischen verschiedenen Oberflächen nicht erreichen. Sogar bei perfektem Oberflächenfinish gäbe es wegen der Hohlstellen in Kontaktbereichen undichte Stellen. Liegt die Formabweichung innerhalb der Toleranzen, ist die Rauheit der Kontaktflächen das zweitwichtigste Kriterium, um die verlangte Dichtfunktion zu erreichen. Mit Blick auf die Oberflächenmesstechnik ist ein System zur Bestimmung der Formabweichung auf großen Oberflächen mit gleichzeitiger Rauheitscharakterisierung auf langen Profilen die beste Lösung.

Eine Kombination aus Weißlichtinterferometrie und chromatisch-konfokaler Messtechnik

Da bei Weißlichtinterferometern die vertikale Auflösung nicht von der Vergrößerung des Objektivs abhängt, können sie große Oberflächen sehr schnell und vollflächig bestimmen. Polytecs Entwicklungen kommen dabei sogar ganz ohne Vergrößerungsobjektive aus.

So ist das TopMap Pro.Surf ein Weißlichtinterferometer, das speziell zum Messen großer Flächen konzipiert wurde. Das Messvolumen (ohne Stitching) von 30 x 40 x 70 mm³ (XYZ) besticht durch seine vertikale Auflösung im Nanometer-Bereich bei gleichzeitig guter lateraler Auflösung.

Für Anwendungsfälle, in denen es auf eine noch höhere laterale Auflösung ankommt, steht nun das Multisensor-Konzept mit integrierter chromatisch-konfokaler Messtechnik zur Verfügung. So kann man beispielsweise zuerst per Weißlichtinterferometer für die gesamte Oberfläche die Formabweichungen messen und dann direkt anschließend eine Rauheitsmessung mit der integrierten chromatisch-konfokalen Methode durchführen. Ähnlich wie bei taktilen Messungen können die Position, Länge und Form des Profils vom Bediener (oder automatisiert) gewählt werden.

Das TopMap Pro.Surf+ erfasst einen insgesamt 228 x 221mm großen Bereich und ist für Anwendungsfälle vorgesehen, bei denen die Bestimmung der Formabweichung und gleichzeitig der Rauheit verlangt werden.

 

 

Fazit

Aufgrund der jüngsten Fortschritte in der Fertigungstechnik ist der Bedarf, Oberflächeneigenschaften von Produkten sehr schnell und mit hoher Informationsdichte zu erfassen, größer denn je. Es gibt aber keine Messtechnik, die alle Anforderungen erfüllt. Je nach Wechselwirkung mit der Oberfläche hat jedes Verfahren, optisch oder taktil, von Natur aus Vorteile und Nachteile. Neue Multisensor- Konzepte optimieren die Werkzeuge durch Kombination verschiedener Techniken, um die vielseitigen Anforderungen zu bedienen.

 

Bildnachweise: Soweit nachfolgend nicht anders aufgeführt bei den Autoren.