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Kurzwellen-Infrarot

SWIR-Eigenschaften und Anwendungen

Viele interessante Kamera-Anwendungen basieren auf den besonderen Eigenschaften des SWIR-(shortwave infrared) Spektralbereichs. Dem InGaAs-Halbleitermaterial kommt dabei eine besondere Rolle zu. Was macht SWIR-Spektroskopie und -Bildverarbeitung so interessant und wo werden sie sinnvoll eingesetzt?

Zunächst eine grundlegende Tatsache: Licht im SWIR-Band ist für das menschliche Auge nicht sichtbar. Das sichtbare Spektrum elektromagnetischer Strahlung reicht von 0,4 µm (Violett, an der Grenze zum unsichtbaren Ultraviolett) bis 0,7 µm Wellenlänge (Tiefrot, angrenzend an den nahen Infrarotbereich). Höhere Wellenlängen im Infrarot-Bereich von 0,9 bis 1,7 µm wurden durch die Entwicklung von Indium-Gallium-Arsenid-Bildsensoren (InGaAs) erschlossen. InGaAs ist eine Verbindungshalbleiter-Legierung aus Galliumarsenid und Indiumarsenid.

Obwohl Licht im kurzwelligen Infrarotbereich für das Auge nicht sichtbar ist, verhält es sich zu Objekten ähnlich wie sichtbares Licht. Viele Materialien sind opak oder reflektieren ähnlich wie im Sichtbaren, wenn auch nicht in gleichem Maße. SWIR-Bilder zeigen aber immer Schatten und Kontraste, wie man sie von der visuellen Betrachtung gewohnt ist. Zudem erreicht man mit InGaAs-Kameras vergleichbare Lichtempfindlichkeiten und räumliche Auflösungen wie mit Schwarz-Weiß-Kameras. Objekte sind also leicht erkenn- und identifizierbar. Das macht InGaAs interessant, aber wo liegen sinnvolle Anwendungsgebiete und Vorteile?

Wann ist InGaAs sinnvoll?

Nachtsichtgeräte gibt es seit mehreren Jahrzehnten. Sie arbeiten, indem von der beobachteten Szenerie reflektiertes Sternenlicht oder anderes Umgebungslicht aus dem nahen Infrarotbereich in sogenannten Bildverstärkerröhren detektiert und verstärkt wird. Diese Technik hat sich bei Nachtsichtgeräten für die direkte visuelle Beobachtung durchgesetzt. Wenn jedoch ein Bild reproduzierbar aufgezeichnet und ausgewertet werden soll, muss eine normale Kamera nachgeschaltet werden. Schwankende und nicht reproduzierbare Verstärkungsgrade sowie eine schlechte Abbildungstreue verhindern aber bei diesen bildgebenden Systemen (z. B. I2CCD) kalibrierbare Messungen – eine Voraussetzung für jede quantitative Messung.

InGaAs-Sensoren basieren auf dem inneren Fotoeffekt, auftreffende Photonen werden im Halbleiter direkt in Elektronen umgewandelt und dann detektiert. Der Umwandlungsprozess ist dabei linear und hervorragend reproduzierbar.

Diese Halbleitersensoren können extrem empfindlich eingestellt werden, sodass sie fast jedes einzelne Photon erfassen, das auf die Detektorfläche trifft. SWIR-Kameras, ausgelegt als Fokalebenen-Array mit Tausenden oder Millionen winziger Sensorpixel, können deshalb in sehr dunklen Umgebungen ohne sichtbarem Licht messtechnisch eingesetzt werden. 

Die Verwendung von SWIR in der Nacht hat einen weiteren großen Vorteil: Das atmosphärische Phänomen der Nachthimmelstrahlung beleuchtet die Erde fünf- bis siebenmal stärker als Sternenlicht, fast ausschließlich im SWIR-Bereich. Mit einer SWIR-Kamera und dieser Strahlung – auch als Nachthimmellicht oder Nachthimmelleuchten bezeichnet – können Objekte selbst in mondlosen Nächten mit großer Klarheit „gesehen“ und die Bilder über Netzwerke hinweg geteilt werden. Dies ist mit keiner anderen bildgebenden Technik möglich.

SWIR und Wärmebildtechnik

Wärmebildkameras sind eine weitere Kamera-Klasse mit ausgezeichneten Detektionsfähigkeiten. Sie nutzen üblicherweise den Spektralbereich von ca. 3,5 bis 15 µm, also den mittleren und langwelligen Infrarotbereich. Umgangssprachlich handelt es sich dort um Wärmestrahlung, und in der Tat findet man hier die Eigenstrahlung der uns umgebenden Objekte, die bei erhöhter Temperatur auch aus der Distanz wahrgenommen wird. Diese Kameras ergänzen die SWIR-Bildgebung in vielen Anwendungen.

Während Wärmebildkameras das Vorhandensein eines warmen Objekts vor einem kühlen Hintergrund besonders gut erkennen, sind die Kontraste bei geringen Temperaturdifferenzen minimal. Eine SWIR-Kamera hilft hier auch ohne sichtbares Licht, Objekte zu erkennen und zu identifizieren. Die Bereitstellung von Bildern mit Tiefenstruktur, Licht und Schatten sowie starken Kontrasten ist eine Kombination, die sich gut für Anwendungen im Überwachungs-, Sicherheitsbereich und der militärischen Aufklärung eignet.

Bild durch Glas

In Wärmebildkameras werden ausnahmslos teure Spezialoptiken aus Silizium oder Germanium eingesetzt, da normale Gläser im thermischen Spektralbereich undurchsichtig sind. InGaAs-Kameras schauen durch Glas hindurch. Daher sind vergleichsweise günstige Glasobjektive nutzbar, wie sie auch im sichtbaren Bereich eingesetzt werden. Eine SWIR-Kamera kann demnach hinter einem Schutzfenster installiert werden, was bei Positionierungen in gefährlichen oder hygienisch empfindlichen Umgebungen wichtig ist.

Anders verhält es sich bei Kunststoffen. Diese sind im Sichtbaren meist undurchsichtig und farblos, im SWIR aber überwiegend transparent. Dieser Effekt erlaubt Anwendungen wie zum Beispiel die Füllstandskontrolle an undurchsichtigen Kunststoffbehältnissen. Die Polytec Kameras des US-amerikanischen Herstellers Sensors Unlimited sind mit herkömmlichen, kostengünstigen Objektiven aus dem klassischen Kamerabereich für fast alle Anwendungen verwendbar. Spezielle, teure Optiken oder gehärtete Gehäuse sind meist nicht notwendig.

Weitere Anwendungen

SWIR-Kameras kommen auch beim Müll- bzw. Kunststoff-Recycling zum Einsatz. Mit ihnen lassen sich Kunststoffarten eindeutig nach dem Polymertyp unterscheiden. Da Wasser Strahlung im SWIR-Bereich absorbiert, ergeben sich weitere Anwendungen in der Textil-, Holz- und Landwirtschaft, zum Beispiel bei der Qualitätskontrolle von Erntegut oder der Kontrolle von Früchten auf Druckstellen.

Ein ganz anderes Einsatzfeld ergibt sich aus der Tatsache, dass InGaAs-Kameras auch durch Silizium gut hindurchsehen können. Mit ihrer hohen Auflösung und Kalibrierbarkeit sind sie damit ein wichtiges Instrument zur Qualitätskontrolle in der Halbleiterproduktion, zum Beispiel bei der Herstellung von Wafern.

Alternativen zu InGaAs

Natürlich sind auch andere Halbleitermaterialien im kurzwelligen Infrarotbereich lichtempfindlich: Quecksilberkadmiumtellurid (HgCdTe, Empfindlichkeitsbereich 2 - 16 µm möglich) oder Indiumantimonid (InSb, Empfindlichkeitsbereich 1,2 - 6 µm möglich) können im SWIR-Bereich sehr empfindlich sein. Da diese Sensoren jedoch deutlich breitbandiger empfindlich sind als InGaAs, müssen sie stark gekühlt werden, um ihr Signal-Rausch-Verhältnis auf ein brauchbares Niveau zu heben, etwa durch flüssigen Stickstoff.

Mit einer InGaAs-Kamera kann eine ähnliche Empfindlichkeit bei Raumtemperatur erreicht werden, was den technischen Aufwand natürlich erheblich reduziert. Auch die Baugröße kann aus diesem Grund deutlich geringer ausfallen, und überdies verbrauchen InGaAs-Kameras weniger Strom.

Fazit

Aufgrund der speziellen Eigenschaften kurzwelligen Infrarotlichts ergeben sich viele interessante Anwendungen für die Industrie, Nahrungsmittelbranche, bei Überwachungsaufgaben oder im Kunstbereich. Die besonderen Eigenschaften von InGaAs-Detektoren, speziell die nicht notwendige Kühlung, ermöglichen einen alltagstauglichen und unkomplizierten Einsatz.

Merkmale von InGaAs-SWIR-Kameras:

  • Hohe Empfindlichkeit
  • Hohe Auflösung
  • Nightglow (Nachthimmel-Strahlung)
  • Tag-/Nacht-Bildgebung
  • Geringe Abmessungen
  • Herkömmliche, preiswerte Objektive
  • Keine kryogene Kühlung erforderlich
  • Geringe Leistungsaufnahme

Bildnachweise: Soweit nachfolgend nicht anders aufgeführt bei ensors Unlimited Inc.; Titelbild: ©shutterstock.com/Valery Lisin;